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Tom Holland und FAGULON

Der heilige Berg der Juden wird islamisches Machtsymbol


Überall in der menschlichen Geschichte findet man heilige Berge, die entweder als Sitz der Götter verehrt wurden oder zumindest von einem göttlichen Besuch auf Erden Zeugnis ablegten. Genauso ist es auch mit dem Felsen in Jerusalem. Nach der arabischen Eroberung war die Stadt noch ganz von Juden und Christen dominiert. Im Zuge der Etablierung einer islamischen Staatsreligion war es deshalb geboten, dafür ein eindrucksvolles bauliches Symbol zu schaffen. Was lag in dieser Situation also näher, als die jahrhundertelange Verehrung des Felsens in Jerusalem durch die Juden zu nutzen und zu verdrängen? Insofern war die Überbauung dieses Ortes durch den prächtigen Felsendom aus psychologischer und machtpolitischer Sicht eine geniale Entscheidung.


Zitat

Aus dem zerstreuten Glaubens-Strandgut, das die gewaltige Flutwelle arabischer Eroberungen zurückgelassen hatte, musste etwas Zusammenhängendes und offensichtlich von Gott Beglaubigtes geformt werden: eine Religion, kurz gesagt. Mohammed als deren Gründer zu etablieren war ein Anfang, aber auch nicht mehr als das. Um zu ermessen, was noch zu tun blieb, musste man nur die Stadt besuchen, in der Abd al-Malik wie schon Muawiya vor ihm erstmals als Amir gegrüßt wurde: Jerusalem. Hier, wo so viele Kerzen in den Kirchen brannten, dass nachts die gesamte Stadt und die umgebenden Berge wie ein einziges großes Feuer leuchteten, hatten der Glanz des Christentums und sein ehrwürdiges Alter dieselbe einschüchternde Wirkung wie eh und je. Abd al-Malik hatte, wenn er die Ausmaße der Kuppel der Auferstehungskirche bedachte und ihre ganze Pracht«, durchaus Grund zu der Sorge, »dass die Seelen der Gläubigen betört werden konnten«. Jerusalems zu besitzen war einerseits eine schwere Aufgabe, doch bot es auch Chancen. Noch während Abd al-Malik seine Truppen zum Sieg im Irak führte, wurde auf dem Tempelberg eifrig daran gearbeitet, ihm in Jerusalem einen vergleichbaren Triumph zu bereiten.


Die notdürftige Moschee, über die Arculf die Nase gerümpft hatte, wurde abgerissen und nun durch ein prachtvolles Gebäude ersetzt. Um den Felsen herum zog man eine Mauer, um ihn als haram zu kennzeichnen, und in die Mauer wurden Tore gebaut, die sich auf frisch gepflasterte Straßen hinaus öffneten. Am erstaunlichsten und schönsten aber war ein achteckiges Gebäude von solchen Ausmaßen, dass es sogar die Auferstehungskirche in den Schatten stellte. Dass dies eine ganz bewusste Strategie war, hätte kaum deutlicher werden können. Die Abmessungen des neuen Baus waren nicht nur dieselben wie bei der großen Kirche Konstantins - nach der Fertigstellung wurden seine Säulen außerdem noch mit einer riesigen vergoldeten Kuppel überwölbt.


Doch was den Christen ihre Arroganz und Überheblichkeit endgültig vergelten sollte, war die präzis gewählte Lage dieses Felsendoms. Innen war als nackter, nicht überbauter Fels die Steinfläche markiert, zu der die römischen Stadtoberen einmal im Jahr die Gruppe wehklagender Juden vorgelassen hatten, damit sie dort ihre Widderhörner blasen konnten. Die Rabbis hatten diesen Punkt mit der Shekhinah identifiziert, dem Einwohnen des Göttlichen auf der Erde; Abd al-Malik und seine Architekten schrieben ihm eine ähnlich große Bedeutung zu. Sie glaubten, am Beginn der Zeit, als das Universum just frisch geschaffen war, habe Gott auf dem Felsen gestanden und sei dann in den Himmel aufgestiegen, wobei er hier einen Abdruck seines Fußes hinterließ.


Zitat aus: Im Schatten des Schwertes. Mohammed und die Entstehung des arabischen Weltreiches. Tom Holland, übersetzt aus dem Englischen von Susanne Held, Klett-Cotta 2012, Seite 385


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