Die künstlerisch gestaltete Sonnenuhr auf dem Bild zeigt, dass das Gleiche - nämlich die Zeit - mit drei verschiedenen Methoden präzise angezeigt werden kann. Der Schöpfer dieser Uhren-Skulptur hat damit auch ein Gleichnis erschaffen: Man kann auf unterschiedlichen Wegen zum gleichen Ergebnis kommen. So ist es auch bei der Betrachtung von Mohamed als historische Figur, als Mythos und als problematischen Charakter. Diese Methode der Annäherung an spirituelle Fragen des Islam ist natürlich nur möglich, wenn man sich von der strikten Verhaftung im Korsett des Fundamentalismus befreit. Mit anderen Worten, man kann zu dem Kern des Islam auf verschiedenen Wegen vordringen. Dies sollte das Ziel aller Gläubigen sein und nicht das sklavische Beharren auf formellen Regeln, die aus einer längst vergangenen Zeit stammen. Allerdings verlangt dies in der gewaltbereiten Atmosphäre konservativ islamischer Länder und entsprechender Ghettos in westlichen Staaten nicht nur viel Mut. Zusätzlich braucht es auch ein gewisses Maß an Bildung und intellektueller Selbstreflexion.
Zitat
Ich gehe davon aus, dass es drei Mohameds gab. Der erste bildet den historischen Kern des Islam. Dieser Mohamed war ein Händler und Prediger, der sich zwischen der arabischen Halbinsel und Syrien bewegte und die Erzählungen und Debatten beider Kulturräume in einem Buch namens Koran kombinierte. Ihm ist es gelungen, einige arabische Stämme zusammenzuschließen, jedoch starb er, bevor er sein großes Projekt der Einigung Arabiens vollenden konnte. Die Vorstellung, dass sich eine neue Religion aus Syrien auf der arabischen Halbinsel hätte etablieren können, ist unlogisch. Denn gerade diese Araber des Hidschaz (im heutigen Saudi-Arabien) waren immer bekehrungsresistent und konnten nur durch einen eigenen Propheten und ein eigenes Buch vereint werden. Die Stämme lebten vom Kollektivgedächtnis und von ihrem Stolz auf ihre genealogische Abstammung. Eine in der Fremde erfundene Religion würde von ihnen eher als eine Invasion betrachtet. Sie konnten eine Figur namens Mohamed nur dann akzeptieren, wenn er tatsächlich unter ihnen gelebt und wenn seine Geschichte sich mit ihrer vermischt hatte.
Der zweite Mohamed ist eine übergeschichtliche Gestalt, ein Mythos aus der Erfindung der nostalgischen Geschichtenerzähler. Diese Meta-Erzählungen über ihn sind das Ergebnis der theologischen Debatten im 7. und 8. Jahrhundert, die vor allem in Syrien und Irak geführt wurden.
Und der dritte Mohamed schließlich ist die Person, die in fast allen Biographien verschwiegen wird. Der Prophet aus der Sicht seiner zeitgenössischen Gegner und Kritiker. Dieser Mohamed hatte offensichtlich mehr Charakterschwächen und Identitätskonflikte, als die Biographien preisgeben. Psychische oder gesundheitliche Probleme sowie Ungereimtheiten in Bezug auf seine Abstammung könnten womöglich Erklärungen für seine Wut- und Gewaltausbrüche bieten. Sowohl der Koran als auch seine Biographien geben uns einige Hinweise über Mohameds Schwächen und Probleme, die ihm das Leben schwer gemacht haben dürften, andere bleiben uns jedoch verborgen. Auch manche Details über die Nähe Mohameds zu einigen christlichen Mönchen sowie die Religion seiner ersten Frau Khadidscha wurden offensichtlich systematisch vertuscht. Dieses Vorgehen schafft Lücken und Widersprüche in Mohameds Biographie, was wiederum Anlass für weitere Spekulationen liefert.
Zitat aus:
Mohamed, Ein Abrechnung, Hamed Abdel-Samad, Droemer-Verlag 2015, Seite 46-47
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