"Politische Korrektheit" ist ein Phantomgebilde zweckdienlicher Beliebigkeit. Ursprünglich war der Begriff ironisch gemeint. Er sollte die eifernde Bigotterie einiger politischer Diskussionen verspotten. Inzwischen ist diese Bedeutung fast verloren gegangen. "Politische Korrektheit" hat schrittweise die biedere Ernsthaftigkeit einer quasi-religiösen Überzeugung angenommen. Beide Teile dieses Begriffs verkörpern jedoch irreführende Illusionen. Einerseits ist Politik das Lavieren in den wenigen Spielräumen, welche das festgefügte Gebäude der Sachzwänge, Gesetze und wechselseitigen Abhängigkeiten in einer modernen Gesellschaft übrig lässt. Ich habe dies in meinem Vortrag zu den Gesetzen des Marionettentanzes vor der Fassade der Demokratie dargestellt.
Andererseits kann Politik keine feste Substanz von Zielen und Prinzipien, keine Moral und auch keine Ethik haben, obwohl die Marionetten, die vor der Fassade der Demokratie tanzen, ständig das Gegenteil behaupten. Deshalb kann es etwas "politisch Korrektes" nicht geben - genauso wenig wie etwas "politisch Unkorrektes". Zudem ist klar: Selbst wenn Politik all diese Eigenschaften hätte, wäre der Begriff der "politischen Korrektheit" immer noch sinnlos: Wer entscheidet denn was "korrekt" ist und was nicht? Wer sind die Richter, wer hat sie bestellt und worauf mögen ihre Urteile wohl basieren?
Durch diese Betrachtung wird klar, Richter können nur diejenigen spielen, welche leichtfertig genug sind, dieses Amt zu usurpieren: Die selbsternannten Bessermenschen – die man auch Gutmenschen-Darsteller nennen könnte – sind Individuen, die das Wunschgebilde "politischer Korrektheit" nach Belieben neu erschaffen oder verändern und dann zu ihren Zwecken nutzen. Dabei geht es nicht immer um Macht oder Geld: Oft stehen verkappter Neid und Wichtigtuerei im Vordergrund, denn durch "politisch korrekte" Anklagen, Forderungen und Empörungsrituale kann man ohne eigene Leistung ganz leicht aus dem Meer der Bedeutungslosigkeit auftauchen.
Eine wirklich politische korrekte Politik besteht in der besten Lösung eines Problems unter den gegebenen Umständen und auf der Basis einer humanistischen Systemethik, auf die ich in meinem folgenden Vortrag näher eingehen werde. Dies ist die zentrale Bedeutung von REAP. Deren Weiterentwicklung zu einer ganz neuen Form von Regierung und informierter Demokratie (SCIENAD), werde ich in anderen Vorträgen nur kurz andeuten, da dies eine umfassende Darstellung zu einem späteren Zeitpunkt erfordert.“
Zitat aus: Die Religion der Überkompensationen, Marc DeSargeau, FAGULON-Verlag 2021
Comments