„Für jede Tätigkeit, bei der man seinen Mitbürgern Schaden zufügen könnte, braucht man in Deutschland eine Art von "Führerschein", der nur nach gründlicher theoretischer und praktischer Ausbildung erworben werden kann. Das sind z. B. die Abschlüsse der Ärzte, Ingenieure, Architekten, Steuerberater, Handwerker und natürlich auch die Führerscheine für Kraftfahrzeuge. In Analogie hierzu ist es eigentlich logisch, ja fast unvermeidlich, dass das Wahlrecht nur von denjenigen Bürgern ausgeübt werden darf, welche die Prüfung zum Erwerb eines Wählerführerscheins bestanden haben. Falsche Wahlentscheidungen können dem Gemeinwesen nämlich beträchtlichen Schaden zufügen! Diejenigen, die sich nicht als zertifizierte Wähler qualifiziert haben, werden mit dem Votum ihrer kenntnisreichen Mitmenschen weit besser fahren, als wenn sie sich auf ihr eigenes Zufallsurteil verlassen hätten.
Die Wahlpflicht, wie sie z. B. in Belgien, Griechenland, Italien oder Luxemburg existiert und die in Australien sogar schon 1924 eingeführt wurde, ist keine Lösung des Problems. Vielmehr sollte ein Verfahren etabliert werden, welches dem Erwerb des Kfz-Führerscheins ähnelt. Natürlich müssen alle Angebote auf dem Weg zum Wählerführerschein kostenlos sein.
In Analogie zu den theoretischen Kursen zu Beginn der Fahrschule geht es in dieser ersten Phase des Erwerbs des Wählerführerscheins darum, die wichtigsten Elemente des Fahrzeugs - hier also des Staates, der Parteien und Parlamente - besser zu verstehen und das Netzwerk der wirtschaftlichen, finanziellen, rechtlichen u. a. Sachzwänge genauer kennenzulernen, nach denen das Fahrzeug "Gemeinwesen" bewegt werden kann. Hierzu ist über einen Zeitraum von 2-3 Monaten jeweils wöchentlich eine Bildungsveranstaltung erforderlich.
Am einfachsten und kostengünstigsten wäre diese Form der Weiterbildung wohl dadurch zu erreichen, dass für jeden Themenkomplex mehrere 45-minütige Dokumentarfilme durch hochqualifizierte Journalisten mit unterschiedlichem politischem und weltanschaulichem Hintergrund produziert werden. So wird das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet und durch teilweise gegensätzliche Interpretations- und Wahrnehmungsrahmen eingegrenzt. Diese Videos sollten sich die Kandidaten für einen Wählerführerschein - jeweils nicht mehr als 30 Personen in einer Gruppe - gemeinsam ansehen und anschließend etwa eine Stunde lang diskutieren.
Erstrebenswert wäre es zuweilen, wenn dieser Teil der Veranstaltung durch einen qualifizierten Seminarleiter moderiert würde. Die meisten Runden werden sich jedoch problemlos selbst organisieren können, z.B. mit der Methode des "Talking Stick", der systematisch weitergegeben wird. Die entsprechenden DVDs werden an interessierte Teilnehmer kostenlos abgegeben. Natürlich stehen sie auch ständig im Internet zum Herunterladen bereit. Auf diese Weise kann jeder sein Wissen festigen und/oder die im Seminar diskutierten Fragen mit Freunden oder Familienmitgliedern weiter beleuchten.“
Zitat aus: Marionetten, Neo-Stalis und Monsterwellen, Marc DeSargeau, FAGULON-Verlag 2021
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